01 Wenn in einer philosophischen Frage das einstimmige Urtheil der
02 Weltweisen ein Wall wäre, über welchen zu schreiten, es für ein gleich
03 sträfliches Verbrechen mit demjenigen, welches Remus beging, müßte gehalten
04 werden, so würde ich mir den Vorwitz wohl vergehen lassen, meinen
05 Einfällen wider das entscheidende Gutachten des ehrwürdigen großen
06 Haufens diejenige Freiheit zu erlauben, die durch nichts weiter als durch
07 die gesunde Vernunft gerechtfertigt ist. Ich würde, wenn es mir einfiele,
08 ein Gesetz zu bestreiten, welches nach dem Rechte des Herkommens einen
09 unangefochtenen Besitz in den Lehrbüchern der Weltweisen schon seit Jahrhunderten
10 her behauptet hat, mich selbst bald bescheiden, daß ich entweder
11 hätte eher kommen oder damit zurück bleiben sollen. Nun ich aber eine
12 große Menge solcher unternehmenden Köpfe um mich erblicke, die mit dem
13 Gesetze des Ansehens nichts wollen zu schaffen haben, und gegen die man
14 doch so viel Nachsicht hat ihre Meinungen wohl gar zu prüfen und ihnen
15 nachzudenken, so wage ich es auf ein gleich günstiges Schicksal mich unter
16 sie zu mengen und die Begriffe der Bewegung und der Ruhe, imgleichen
17 der mit der letztern verbundenen Trägheitskraft zu untersuchen und zu
18 verwerfen; ob ich gleich weiß, daß diejenige Herren, welche gewohnt sind,
19 alle Gedanken als Spreu wegzuwerfen, die nicht auf die Zwangmühle des
20 Wolffischen oder eines andern berühmten Lehrgebäudes aufgeschüttet worden,
21 bei dem ersten Anblick die Mühe der Prüfung für unnöthig und die
22 ganze Betrachtung für unrichtig erklären werden. |