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Gemeinschaft (commercium, nexus) - Körper / Seele (Leib, anima)
Begriff:
Gemeinschaft (commercium, nexus)
Spezifikation 1:
Körper / Seele (Leib, anima)
Zitate:
(1747 Schätzung) I/020:11-021:25
Denn eben daher wird es in der Metaphysik so schwer, sich vorzustellen, wie die Materie im Stande sei, in der Seele des Menschen auf eine in der That wirksame Art (das ist, durch den physischen Einfluß) Vorstellungen hervorzubringen. Was thut die Materie anders, sagt man, als daß sie Bewegungen verursache? […] Eine gleiche Schwierigkeit äußert sich, wenn die Frage ist, ob die Seele auch im Stande sei die Materie in Bewegung zu setzen. Beide Schwierigkeiten verschwinden aber, und der physische Einfluß bekommt kein geringes Licht, wenn man die Kraft der Materie nicht auf die Rechnung der Bewegung, sondern der Wirkungen in andre Substanzen, die man nicht näher bestimmen darf, setzt. Denn die Frage, ob die Seele Bewegungen verursachen könne, das ist, ob sie eine bewegende Kraft habe, verwandelt sich in diese: ob ihre wesentliche Kraft zu einer Wirkung nach draußen könne bestimmt werden, das ist, ob sie außer sich in andere Wesen zu wirken und Veränderungen hervorzubringen fähig sei? Diese Frage kann man auf eine ganz entscheidende Art dadurch beantworten: daß die Seele nach draußen aus diesem Grunde müsse wirken können, weil sie in einem Orte ist. Denn wenn wir den Begriff von demjenigen zergliedern, was wir den Ort nennen, so findet man, daß er die Wirkungen der Substanzen in einander andeutet. Es hat also einen gewissen scharfsinnigen Schriftsteller nichts mehr verhindert, den Triumph des physischen Einflusses über die vorherbestimmte Harmonie vollkommen zu machen, als diese kleine Verwirrung der Begriffe, aus der man sich leichtlich herausfindet, sobald man nur seine Aufmerksamkeit darauf richtet. Eben so leicht ist es auch die Art vom paradoxen Satze zu begreifen, wie es nämlich möglich sei: daß die Materie, von der man doch in der Einbildung steht, daß sie nichts als nur Bewegungen verursachen könne, der Seele gewisse Vorstellungen und Bilder eindrücke. Denn die Materie, welche in Bewegung gesetzt worden, wirkt in alles, was mit ihr dem Raum nach verbunden ist, mithin auch in die Seele; das ist, sie verändert den innern Zustand derselben, in so weit er sich auf das Äußere bezieht. Nun ist der ganze innerliche Zustand der Seele nichts anders, als die Zusammenfassung aller ihrer Vorstellungen und Begriffe, und in so weit dieser innerliche Zustand sich auf das Äußerliche bezieht, heißt er der status repraesentativus universi; daher ändert die Materie vermittelst ihrer Kraft, die sie in der Bewegung hat, den Zustand der Seele, wodurch sie sich die Welt vorstellt. Auf diese Weise begreift man, wie sie der Seele Vorstellungen eindrücken könne. (1755c Nova diluc.) I/415:17-29 Cum substantiarum omnium, quatenus spatio eodem continentur, sit mutuum commercium, hinc dependentia mutua in determinationibus, actio universalis spirituum in corpora corporumque in spiritus inde intelligi potest. Verum quia quaelibet substantia non per ea, quae ipsi interne competunt, potestatem habet alias a se diversas determinandi (per demonstrata), sed tantum vi nexus, quo in idea entis infiniti colligantur, quaecunque in quavis reperiuntur determinationes et mutationes, semper respiciunt quidem externa, sed influxus physicus proprie sic dictus excluditur, et est rerum harmonia universalis. Neque tamen praestabilita illa Leibniziana, quae proprie consensum, non dependentiam mutuam substantiis inducit, inde progignitur; nec enim artificiorum technis in rationum concinnatarum serie adaptatis ad conspirationem substantiarum efficiendam Deus utitur, neque porro specialis semper Dei influxus, i. e. commercium substantiarum per causas occasionales Malebranchii hic statuitur; (1766 Träume) II/321:34-38: Dagegen bei einer geistigen Substanz, die mit der Materie in Vereinigung sein soll, wie z. E. der menschlichen Seele, äußert sich die Schwierigkeit: daß ich eine wechselseitige Verknüpfung derselben mit körperlichen Wesen zu einem Ganzen denken und dennoch die einzige bekannte Art der Verbindung, welche unter materiellen Wesen statt findet, aufheben soll. (1770 De mundi) II/407:23-26 Et in hoc quidem consistit influxus physici (1781 Kritik der reinen Vernunft) A 389 f. Nun sind wir nach den gemeinen Begriffen unserer Vernunft in Ansehung der Gemeinschaft, darin unser denkendes Subject mit den Dingen außer uns steht, dogmatisch und sehen diese als wahrhafte, unabhängig von uns bestehende Gegenstände an nach einem gewissen transscendentalen Dualism, der jene äußere Erscheinungen nicht als Vorstellungen zum Subjecte zählt, sondern sie, so wie sinnliche Anschauung sie uns liefert, außer uns als Objecte versetzt und sie von dem denkenden Subjecte gänzlich abtrennt. Diese Subreption ist nun die Grundlage aller Theorien über die Gemeinschaft zwischen Seele und Körper, und es wird niemals gefragt, ob denn diese objective Realität der Erscheinungen so ganz richtig sei, sondern diese wird als zugestanden vorausgesetzt und nur über die Art vernünftelt, wie sie erklärt und begriffen werden müsse. Die gewöhnliche drei hierüber erdachte und wirklich einzig mögliche Systeme sind die des physischen Einflusses, der vorher bestimmten Harmonie und der übernatürlichen Assistenz. - weniger Text
Glossar:
Descartes' scharfe Trennung von Geist und Materie bildet die Grundlage der frühneuzeitlichen Auffassungen zum Leib-Seele-Problem. Wirkungsvoll wurden hierbei vor allem die drei Positionen des Okkasionalismus, des Influxionismus und der Lehre von der prästabilierten Harmonie, während Spinozas Parallelismus eine Randerscheinung blieb.
Als Okkasionalismus werden auf Gassendi zurückgehende Annahmen bezeichnet, denen zufolge die parallelen Veränderungen von psychischen und materiellen Zuständen nicht auf eine Interaktion zwischen Seele und Leib zurückgehen, sondern auf jeweilige koordinierende Einwirkungen Gottes in den getrennten Sphären. Systeme der mit dem Namen Leibnizens verknüpften prästabilierten Harmonie gehen dagegen davon aus, daß Gott diese Übereinstimmung nicht jeweils eingreifend gewährleistet, sondern die Zustandsänderungen in den getrennten Sphären von vornherein so angeordnet hat, daß jener Schein der Interaktion entsteht. Im Unterschied zu diesen beiden Positionen lassen influxionistische Theorien - z.B. die Martin Knutzens und Andreas Rüdigers - reale Interaktionen zwischen Leib und Seele zu. Vgl. z.B. den Artikel "Leib-Seele-Verhältnis" von R. Specht in Ritter / Gründer [1971ff.] V 192-201, Specht [1966], Nadler [1993] sowie Erdmann [1876] und Watkins [1995b]; zeitgenössisch Sectio III in Christians Wolffs "Psychologia rationalis" (Wolff [1734]).
Kants Auffassung zum Leib-Seele-Problem hat mehrere Wandlungen durchlaufen. In (1747 Schätzung) erweist er sich als Anhänger des Influxus physicus - siehe das erste Zitat - und meint dessen Begründung verbessern zu können. Bei dem dort von Kant erwähnten "scharfsinnigen Schriftsteller" handelt es sich vermutlich um Martin Knutzen - vgl. Adickes [1924] I 84. Auch in der (1755c Nova diluc.) - siehe das zweite Zitat - und in (1770 De mundi) - siehe das vierte Zitat - versucht Kant sich an einer Verbesserung der Influxus-Theorien, wobei hier die Kritik an den bestehenden Vorstellungen schon wesentlich weitreichender ausfällt. Im Paralogismenkapitel der A-Redaktion der KrV schließlich vertritt Kant die Auffassung, daß die drei erwähnten Theorien durchgängig auf einer unzulässigen Identifikation der Gegenstände unserer Vorstellungen mit Dingen an sich beruhen und sich insofern vom Standpunkt der Transzendentalphilosophie erübrigen - s. das fünfte Zitat.
Zur Entwicklung von Kants Auffassung vgl. insbes. Watkins [1995a] und Laywine [1993].
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