Immanuel Kant (Darstellung von ...) Kants naturtheoretische Begriffe (1747-1780) - Eine Datenbank zu ihren expliziten und impliziten Vernetzungen
 

Kraft (vis) - activa (thätige, wirkende)

Begriff:
Kraft (vis)
Spezifikation 1:
activa (thätige, wirkende)
Zitate:
(1747 Schätzung) I/018:22-36:
Die Bewegung ist nur das äußerliche Phänomenon des Zustandes des Körpers, da er zwar nicht wirkt, aber doch bemüht ist zu wirken; allein wenn er seine Bewegung durch einen Gegenstand plötzlich verliert, das ist in dem Augenblicke, darin er zur Ruhe gebracht wird, darin wirkt er. Man sollte daher die Kraft einer Substanz nicht von demjenigen benennen, was gar keine Wirkung ist, noch viel weniger aber von den Körpern, die im Ruhestande wirken, (z. E. von einer Kugel, die den Tisch, worauf sie liegt, durch ihre Schwere drückt) sagen, daß sie eine Bemühung haben sich zu bewegen. Denn weil sie alsdann nicht wirken würden, wenn sie sich bewegten, so müßte man sagen: indem ein Körper wirkt, so hat er eine Bemühung in den Zustand zu gerathen, darin er nicht wirkt. Man wird also die Kraft eines Körpers viel eher eine vim activam überhaupt, als eine vim motricem nennen sollen.


(1747 Schätzung) I/019:01-32:
Es ist aber nichts leichter, als den Ursprung dessen, was wir Bewegung nennen, aus den allgemeinen Begriffen der wirkenden Kraft herzuleiten. Die Substanz A, deren Kraft dahin bestimmt wird außer sich zu wirken (das ist den innern Zustand anderer Substanzen zu ändern), findet entweder in dem ersten Augenblicke ihrer Bemühung sogleich einen Gegenstand, der ihre ganze Kraft erduldet, oder sie findet einen solchen nicht. Wenn das erstere allen Substanzen begegnete, so würden wir gar keine Bewegung kennen, wir würden also auch die Kraft der Körper von derselben nicht benennen. Wenn aber die Substanz A in dem Augenblicke ihrer Bemühung ihre ganze Kraft nicht anwenden kann, so wird sie nur einen Theil derselben anwenden. Sie kann aber mit dem übrigen Theile derselben nicht unthätig bleiben. Sie muß vielmehr mit ihrer ganzen Kraft wirken, denn sie würde sonst aufhören eine Kraft zu heißen, wenn sie nicht ganz angewandt würde. Daher weil die Folgen dieser Ausübung in dem coexistirenden Zustande der Welt nicht anzutreffen sind, wird man sie in der zweiten Abmessung derselben, nämlich in der successiven Reihe der Dinge, finden müssen. Der Körper wird daher seine Kraft nicht auf einmal, sondern nach und nach anwenden. Er kann aber in den nachfolgenden Augenblicken in eben dieselbe Substanzen nicht wirken, in die er gleich anfänglich wirkte, denn diese erdulden nur den ersten Theil seiner Kraft, das übrige aber sind sie nicht fähig anzunehmen; also wirkt A nach und nach immer in andere Substanzen. Die Substanz C aber, in die er im zweiten Augenblicke wirkt, muß gegen A eine ganz andere Relation des Orts und der Lage haben, als B, in welches er gleich anfangs wirkte, denn sonst wäre kein Grund, woher A nicht im Anfange auf einmal sowohl in die Substanz C als in B gewirkt hätte. Eben so haben die Substanzen, in die er in den nachfolgenden Augenblicken wirkt, jedwede eine verschiedene Lage gegen den ersten Ort des Körpers A. Das heißt, A verändert seinen Ort, indem er successive wirkt.

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Glossar:
Der Begriff vis activa war von Leibniz in dem 1694 veröffentlichten Aufsatz "De primae philosophiae emendatione" zur Kennzeichnung einer den Substanzen (Monaden) wesentlich zukommenden Kraft geprägt worden. Kant stellt ihn in (1747 Schätzung) dem Begriff vis motrix entgegen, wie ihn Chr. Wolff eingeführt hatte (vgl. Wolff [1731] § 137). Obwohl er dabei ausdrücklich Leibniz nennt, verwendet er ihn gewissermaßen gegen Leibniz, indem er ihn als Vermögen des physischen Einflusses unter Substanzen auffaßt - vgl. dazu Adickes [1924] I 83 f. - Kant gebraucht diesen Begriff auch später (meistens in der Form "thätige Kraft"), wenn es um die Frage der Wirkfähigkeit von Substanzen geht.
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